31 – Krise

August 2021

Triggerwarnung

In diesem Blog geht es um die unheilbare neurologische Erkrankung Multiple Sklerose und somit auch um mögliche Auslöser schwieriger Gefühle, Erinnerungen oder Flashbacks. Die Texte enthalten Veranschaulichungen und Sprachbilder für solche Trigger – wie Dis­­kriminierungs­erfahrungen oder Todeswunsch. Bei manchen Menschen kann dies negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall sein könnte.
Hilfe erhältst du unter 0511 – 70 33 38 oder info@dmsg-niedersachsen.de.

Mit wehenden Fahnen und 'Bad Moon Rising' skandierend zieht die von Überfluss und Dekadenz träge gewordene und sich befehdende Menschheit, wider besseren Wissens einer deutlich Erkennbaren, in vermeintlicher Ferne liegenden Dystopie entgegen. Immerhin mit ein bis zwei Kasten Bier im Bollerwagen…

Es brennt. Griechenland, Türkei, Italien, Russland, Kalifornien und das Meer. In einigen Teilen der Welt ist es ziemlich heiß, Waldbrände wüten, das Wasser ist teilweise sehr knapp. Zwischendurch gehen Menschen auf die Straße, weil sie Corona nicht in den Griff kriegen. Ganze Länder stehen vor einem riesigen Fragezeichen, entweder, weil das Wetter verrückt spielt oder Corona die Wirtschaft zerfetzt. Klimakrise auf allen Kanälen. Wer nicht differenzieren kann zwischen wichtig und unwichtig, wahr und falsch, der muss doch komplett am Rad drehen.
Die Afghanen sind jetzt wieder unter sich, im Westen ist das Geld wohl alle, Rückzug und Imstichlassen scheint heute en Vogue. Genderwahn haben wir auch noch. Wenn ich mir das alles so angucke, stelle ich fest, dass wir Menschen uns mittlerweile sehr selbst im Wege stehen.
Klimakrise. Das klingt nach: "Von Klima habe ich keine Ahnung, lass das mal die Wissenschaftler und die Politik regeln. Ich habe so viel zu tun. Verantwortung können andere tragen." Das klingt nach etwas Technischem, das Gewohnte und Geregelte ist nur einen Knopfdruck entfernt. Klimakrise. Diese wird schon viel zu lange wie eine Möhre vor unserem Eselsgesicht geschwenkt, gelangweilt sind wir von den immer gleichen Appellen, der Halbherzigkeit der Politik, der Hartnäckigkeit der Lobbyisten. Gebracht hat das vielleicht ein vorübergehend schlechtes Gewissen. Immer freitags nämlich.

Doch dem Klima ist es scheißegal ob es schwitzt oder mit den Zähnen klappert. Auch dem Planeten ist es Wurst was für ein Klima auf ihm herrscht. Wahrscheinlich ist der oder die Planet eher froh weil das Ende der Krankheit Homo sapiens absehbar ist. Aber den Menschen stört es, dass es immer heißer wird und dass Unwetter und Krankheiten seine gewohnten Lebensumstände über den Haufen werfen. Deswegen haben wir keine Klimakrise, keine Corona Krise oder sonst irgendwas. Wenn wir unbedingt eine Krise haben wollen, dann ist es eine Menschenkrise. Aktuelles Beispiel: die LGBTQIA+ Bewegung. Worum geht es denn da eigentlich? Ganz platt in einem Wort: Respekt. Respekt vor dem was anders ist, was unbekannt ist, was fremd ist. Das gleiche Grundproblem, nämlich mangelnder Respekt vor dem Anderen, hatten wir schon bei den Schwarzen, bei den Juden, bei den Schwulen, bei den Frauen. Die Kebekus wird niemals müde für die schwachen Randgruppen einzutreten. Aber irgendwie ist es auch mal gut jetzt, doch die Geschichte lehrt, dass der Mensch aus der Geschichte nichts lernt. Und dann muss eben Caro ihre wichtige Arbeit machen und sich im TV über solche eigentlichen Selbstverständlich-keiten echauffieren. Was aber ist mit der größten Randgruppe auf der Welt? Unseren Kindern? Diesen kleinen Menschen, die spielend unsere Welt kennenlernen. Diese süßen, naiven Erdenbürger, denen wir unsere Gewohnheiten unbewusst aufdrücken und die somit große Gefahr laufen, die gleichen Fehler zu machen wie wir. Die, denen wir wohl aufgrund unserer Unfähigkeit unsere Gewohnheiten zu ändern bzw. schnell und konsequent anders zu handeln, eine qualitativ schlechtere Welt hinterlassen werden. Weil wir sie quantitativ nämlich ausgebeutet haben. Ich habe den Geburtstag von meiner Nichte Ilka um 3 Wochen verpasst. Als ich den Besuch nachholte, stand dieses kleine, süße, blonde Mädchen vor mir und fragte: "Was kriege ich denn zum Geburtstag von dir?" Jetzt wird es wohl herzlos! Ich sagte: "Ilki, du kriegst kein Geburtstagsgeschenk von mir. Und du wirst erst in einigen Jahren verstehen, wieso kein Geschenk das bessere Geschenk ist." Au Backe, Alter! Danach sind wir in ihr Zimmer voller Spielzeug und haben uns mit Taschentüchern beworfen. Kinder brauchen nicht viel, Erwachsene genauso wenig, aber Gewohnheit und Anspruch produzieren einen Alltag voller, oft überflüssigem, Material und reduzieren die Grundlage für zukünftige Generationen. Vielleicht ist meine Haltung zum Klimawandel zu krass aber was ich in meiner Blase mitkriege: wenn die Zukunft ungewiss erscheint, sollte man in der Gegenwart nicht mit dem Feuer spielen. Aber genau das tun die Meisten. Einfach weiter so und laufen lassen, scheint das Credo. Nächsten Monat ist Bundestagswahl. Ey, ich möchte echt kein Politiker sein. Dieses Schmierentheater, diese Farce ist kaum zum Aushalten. Die Welt kackt ab, doch wichtig ist nur die Wiederwahl, so scheint es. Es wird gestritten, es wird nicht gehandelt, schon gar nicht hinsichtlich des Klimawandels. Ich habe leider auch keine Lösung für das Problem, ich würde mich ja gerne in Ironman verwandeln und auf einem Triceratops um die Welt jetten und alles wieder in Ordnung bringen. Naja aber das geht nicht, einer allein kann die Welt nicht retten. Das können wir nur gemeinsam. Warum können wir so schlecht von unseren Gewohnheiten loslassen? Ist es, weil wir glauben sonst zu verlieren? Was denn? Das Leben? Das können wir weder gewinnen noch verlieren. Wir können es nur spielen. Das wird aber unmöglich, wenn wir den Spielplatz kaputt machen. Die Kids werden irgendwann älter. Und hoffentlich werden sie nicht wie wir, vollständig in freizeitorientierter Schonhaltung verharren.

Heute, 9. August 2021 wurde der 6. Bericht des Weltklimarates, IPCC, veröffentlicht. Das Bier geht auch zur Neige.

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