Recht: Was pflegende Angehörige wissen sollten

Als pflegende Person können Sie verschiedene Leistungen in Anspruch nehmen. Damit es Ihnen im Pflegedschungel gelingt, sich zurecht zu finden, gibt Rechtsanwältin Marianne Moldenhauer hier einen Überblick über viele dieser Themen. Unsere Mitarbeiterinnen in der Beratung stehen Ihnen bei allen Fragen gerne zur Seite.

  1. Pflegeberatung

    Die Senioren- und Pflegestützpunkte Niedersachsen (SPN) bieten in Beratungsstellen Seniorenberatung für Menschen ohne Pflegegrad (vorpflegerisch) und Pflegeberatung für Menschen mit Pflegegrad an. Eine Übersicht über Adressen liefert eine bundesweite Datenbank mit Adressen der Pflegestützpunkte. Die Senioren- und Pflegestützpunkte bieten Ihnen Informationen und Beratungen zu einer Vielzahl von Themen. Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, erhält ebenso Rat wie diejenigen, die ihre Wohnung barrierefrei gestalten wollen. Auch wer Angebote zur Alltags- und Freizeitgestaltung in seiner Umgebung sucht, bekommt hier Auskunft. Haben Sie Fragen rund um das wichtige Thema Pflege, erhalten Sie dort eine umfassende Unterstützung. Das gilt für Pflegebedürftige ebenso wie für Angehörige, Nachbar*innen sowie Betreuende.
    Zudem erhalten Sie unter (030) 201 791 31 von Montag bis Donnerstag zwischen 9:00 und 18:00 Uhr und per E-Mail unter info@wege-zur-pflege.de anonym und vertraulich Expert*innenrat beim Pflegetelefon des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ergänzt wird dieses Angebot durch kostenfrei erhältliche Publikationen.
    Außerdem gibt es das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit. Dieses informiert unter (030) 340 60 66-02 montags bis donnerstags von 8:00 bis 18:00 Uhr und freitags von 8:00 bis 12:00 Uhr zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Pflegeversicherung.

  2. Finanzielle Hilfen

    Pflege kostet Geld. Sie müssen daher regelmäßig mit einer finanziellen Mehrbelastung rechnen. ABER: Die Pflegekassen bieten diverse Leistungen an und die Krankenkassen übernehmen die Kosten von ärztlich verordneter Behandlungspflege (z.B. das Stellen und die Verabreichung von Medikamenten, das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen). Ggf. übernimmt das Sozialamt die Hilfe zur Pflege.
    Wenn Sie Pflegeperson sind und Ihnen Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Pflege entstehen, erstattet Ihnen die Krankenkasse keine Fahrtkosten. Ihr*e pflegebedürftige*r Angehörige*r kann Ihnen dafür aber das Pflegegeld überlassen, das er*sie erhält, um die Pflege in der eigenen Häuslichkeit durch eine*n pflegende*n Angehörige*n oder eine*n Bekannte*n kompensieren zu können. Darüber hinaus ermöglicht Ihnen ein Schwerbehindertenausweis der hilfebedürftigen Person das Recht auf bestimmte Nachteilsausgleiche, wie z.B. die kostenfreie Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für Begleitpersonen. Mehr Infos zum Schwerbehindertenausweis finden Sie in unserer Rubrik Recht.

  3. Entlastungsbetrag

    Mit dem Entlastungsbetrag erstattet die Pflegekasse 125 Euro für anerkannte Unterstützungsangebote im Alltag. Es handelt sich hierbei um ein zusätzliches Budget, um pflegende Angehörige zu entlasten. Der Entlastungsbetrag kann für verschiedene Entlastungsangebote eingesetzt werden, wie z.B. Betreuungsangebote, Angebote zu Ihrer Entlastung als Pflegeperson oder Angebote zur Entlastung im Alltag. Es handelt sich also nicht um einen monatlichen Betrag, der pauschal ausgezahlt wird, sondern es findet eine Kostenerstattung statt. Weil nur tatsächlich der Entlastungsbetrag nicht vollständig in einem Jahr verbraucht wird, verfällt dieser nicht. Der*die Pflegebedürftige kann das Geld noch bis zum 30. Juni des Folgejahres verbrauchen.

    HINWEIS: Es ist kein gesonderter Antrag vor erstmaliger Inanspruchnahme nötig. Das Einreichen von Rechnungen zählt als Anfrage. Sammeln Sie also alle Rechnungen und reichen Sie diese anschließend bei der Pflegekasse ein. Wenn Sie Anbietern von Betreuungsleistungen eine sog. Abtretungserklärung geben, können diese auch direkt mit der Pflegekasse abrechnen.

  4. Kurzzeit- und Verhinderungspflege

    Ist die Pflege vorübergehend zu Hause nicht möglich, was häufig nach einem Krankenhausaufenthalt der Fall ist, trägt die Pflegekasse bei anerkannter Pflegebedürftigkeit Pflegekosten bis zu 1.774 Euro (seit 1. Januar 2022, vorher 1.612 Euro) pro Jahr für einen kurzzeitigen Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung. Die Kurzzeitpflege ist auf eine Dauer von 8 Wochen (56 Tage) im Jahr beschränkt. Für diese Zeit übernehmen die Pflegekassen die Kosten einer stationären Unterbringung. Anspruch auf Kurzzeitpflege haben alle anerkannt Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 bis 5 sowie Menschen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall plötzlich pflegebedürftig sind und Kurzzeitpflege benötigen.

    Wenn Sie als Pflegeperson für einen begrenzten Zeitraum ausfallen, etwa wegen Krankheit oder Urlaub, finanziert die Pflegeversicherung unter bestimmten Voraussetzungen eine Ersatzpflegekraft entweder im Haushalt des*r Pflegebedürftigen oder in einer Pflegeeinrichtung im Rahmen der Verhinderungspflege.

    Es gibt zudem die Möglichkeit, Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege zu koppeln. Wenn die gesamten sechs Wochen der Verhinderungspflege noch nicht aufgebraucht wurden, kann die verbleibende Zeit für eine Ausdehnung der Kurzzeitpflege auf bis zu acht Wochen genutzt werden, sodass für die verlängerte Pflege bis zu 3.386 Euro zur Verfügung stehen.

  5. Pflegekurse

    Neben telefonischen und schriftlichen Informationen und Videos bieten Pflegekassen in Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden und professionellen Pflegekräften Angehörigen kostenlose Pflegeschulungen an. Die Pflegekassen sind dazu verpflichtet, Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen mit unentgeltlichen Pflegekursen zu unterstützen. Die Kurse können gemeinsam mit anderen Pflegenden oder individuell zu Hause stattfinden.

  6. Kuraufenthalte und Urlaub

    Krankenkassen ermöglichen pflegenden Angehörigen spezielle Kuraufenthalte, bei denen Pflegebedürftige oder behinderte Kinder mitreisen dürfen. Die Krankenkassen müssen bei der Bewilligung von Kuraufenthalten und Vorsorgeleistungen die besonderen Belastungen pflegender Angehöriger berücksichtigen. Weitere Infos unter Rehas für pflegende Angehörige.

  7. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

    Pflegende Angehörige haben zudem die Möglichkeit, bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um in einer akuten Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.

    Beschäftigte sind verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Eine bestimmte Form der Mitteilung ist nicht vorgesehen. Für die Inanspruchnahme der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung muss ein Pflegegrad noch nicht festgestellt worden sein. Es muss allerdings eine Pflegebedürftigkeit vorliegen, die mindestens dem Pflegegrad 1 entspricht.

    HINWEIS: Die Regelung gilt gegenüber allen Arbeitgeber*innen und zwar unabhängig von der Größe des Unternehmens.

    Für die Zeit der Arbeitsunterbrechung besteht ein Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Dieser Anspruch gilt, sofern keine Entgeltfortzahlung aus tariflichen oder betrieblichen Regelungen gewährleistet ist.

    HINWEIS: Der Antrag muss so schnell wie möglich bei der Pflegekasse des*r pflegebedürftigen Angehörigen gestellt werden, d.h. sobald sich die akute Pflegesituation abzeichnet.

  8. Pflegezeit für Beschäftigte

    Mit der Pflegezeit können sich Beschäftigte bis zu sechs Monate vollständig oder teilweise von der Arbeit freistellen lassen, wenn sie eine*n pflegebedürftige*n nahe*n Angehörige*n in häuslicher Umgebung pflegen. Die Pflegezeit kann für pflegebedürftige nahe Angehörige mit mindestens Pflegegrad 1 in Anspruch genommen werden, wenn die Pflege in häuslicher Umgebung stattfindet. Seit Anfang 2015 können Angehörige einen Teil des Lohnverlustes mit einem zinslosen Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (kurz: BAFzA) ausgleichen.

    HINWEIS: Es besteht kein Rechtsanspruch gegenüber Arbeitgeber*innen mit 15 oder weniger Beschäftigten.

  9. Familienpflegezeit

    Beschäftigte, die eine*n Angehörige*n pflegen, können ihre wöchentliche Arbeitszeit für die maximale Dauer von 2 Jahren auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren. Hierauf haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch. Auch hier besteht die Möglichkeit, den Lohnverlust über ein zinsloses Darlehen des BAFzA auszugleichen.

  10. Entgeltpunkte

    Damit die Pflege nicht zulasten der eigenen Alterssicherung geht, zahlt die Pflegekasse der Pflegebedürftigen u. U. Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, aber auch für andere ehrenamtliche Pflegepersonen, wie Nachbar*innen oder Bekannte. Die Rentenversicherung rechnet die Pflegezeit als Beitragszeit. Steigen Sie aus dem Beruf aus, um eine*n Angehörige*n zu pflegen, zahlt die Pflegeversicherung zusätzlich die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflege. Die von der Deutschen Rentenversicherung herausgegebene Broschüre „Rente für Pflegepersonen: Ihr Einsatz lohnt sich“ ist kostenfrei erhältlich und informiert Sie über alle damit verbundenen Neuregelungen für die Alterssicherung nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen.

  11. Pflegekosten von der Steuer absetzen

    Verschiedene Ausgaben, die in Verbindung mit der Pflege stehen, sind zudem steuerlich absetzbar. Grundsätzlich lassen sich Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung oder als haushaltsnahe Dienstleistung geltend machen.

Stand: 31. Oktober 2021

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